Forum II - Thema Medienabhängigkeit

Die Referenten im Forum Medienabhängigkeit waren Wolfgang Langer, der Leiter der Fachstelle Sucht in Rastatt und Frau Silvia Sammet, eine Mitarbeiterin der Fachstelle Sucht in Mannheim. Der Vortrag war gegliedert in die Punkte: Einstimmung in das Thema, Zahlen und Fakten, Faszination und Gefahren - danach konnte man Fragen stellen und der letzte Punkt war dann Maßnahmen und Hilfsangebote.

Zur Einstimmung in das Thema Medienabhängigkeit wurden Bilder verschiedener Computerspiele gezeigt; hierbei besonders die bekannten Spiele wie World of Warcraft, Counter Strike oder die SIMS. Danach wurden einige interessante Zahlen und Fakten vorgestellt. In dem gesamten Vortrag ging es sehr viel um Jugendliche, die dieses Problem am häufigsten betrifft. Die durchschnittliche Nutzungszeit bei Jugendlichen soll demnach bei 120 Minuten pro Tag liegen. Die Zahlen waren allerdings aus einer Studie aus dem Jahr 2009, es kann also mittlerweile auch etwas mehr sein. Bei einer Studie in einer 9. Klasse kam heraus, dass 10 % der dortigen Schüler das Internet exzessiv nutzen mit 4,8 Stunden täglich. Dabei wird diese Zeit hauptsächlich für Computerspiele oder Kommunikationsplattformen wie z.B. Chats, Foren oder Social Communities verwendet. In dem Vortrag wurde die sehr realistische Prognose angestellt, dass die Anzahl der Medienabhängigen in den nächsten Jahren eher ansteigen wird.

Genau wie bei der Glücksspielsucht sind auch hier wieder Männer stärker betroffen als Frauen. Allerdings betrifft auch immer mehr Mädchen dieses Thema. Jedoch gibt es, was die Geschlechter anbelangt, unterschiedliche Ausprägungen. So spielen Jungen oder Männer eher PC-Spiele, während Mädchen oder Frauen ihre Zeit eher in Kommunikationsplattformen verbringen. Wenn Mädchen oder Frauen allerdings PC-Spiele spielen, so sind das eher Simulationen wie z.B. die SIMS oder Jump and Run-Spiele wie z.B. Super Mario. Bei Jungen oder Männern sind es dagegen eher Sportspiele wie FIFA oder sogar gewalttätige Rollenspiele wie z.B. World of Warcraft.

PC-Spielsüchtige zeigen häufig neben ihrer Abhängigkeit auch andere psychische Probleme, welche oft auch ursächlich für die Abhängigkeit sind. Waren es in den letzten Jahren sehr häufig die Eltern, die Beratungsstellen oder andere Hilfsangebote aufgesucht haben, so kommen nun auch immer mehr Betroffene selber.

Nach diesen ganzen Fakten wurde nun vorgestellt, welche Faszination besonders PC-Spiele darstellen, aber auch welche Gefahren von diesen Spielen ausgehen. Der Reiz, den gerade Simulationsspiele wie z.B. die SIMS haben, ist, dass man Erfahrungen im sozialen Umfeld machen kann, ohne aber die echten Konsequenzen tragen zu müssen und einen Rückzugsort hat. Bei Egoshootern liegt die Anziehungskraft darin, dass die Welt ganz klar in Gute und Böse unterteilt ist. Dabei gilt es dann, die anderen zu eliminieren. Es wird eine Art Wettkampf inszeniert, wobei es darum geht, als Stärkster hervorzugehen, jedoch egal um welchen Preis.

Das wohl bekannteste Rollenspiel World of Warcraft hat einige Besonderheiten, die dazu führen, dass von diesem Spiel besonders die Gefahr ausgeht, davon abhängig zu werden. Bei diesem Spiel ist nie ein Ende erreicht, es ist immer was los und man kann zu jeder Tages- und Nachtzeit spielen, ohne dass man je das Spiel fertig gespielt hat. Man ist Teil eines Teams, wobei man auch gewisse Verpflichtungen gegenüber diesem Team hat und dieses unterstützt. Aus diesem Grund hat man dann das Gefühl, zu bestimmten Treffpunkten im Spiel anwesend sein zu müssen, da man sonst das Team im Stich lässt. Ein anderer Punkt ist, dass das Spiel ein Belohnungssystem enthält. Für erfolgreich geschlagene Schlachten oder gelöste Aufgaben steigt man im Rang auf oder erhält weitere Ausrüstungsgegenstände. Zu diesen Punkten kommt noch eine emotionale Bindung an das Spiel bzw. den eigenen Avatar, den man nach eigenen Wünschen gestalten kann. Man kann im Spiel sein wer, immer man will und oft hat das nichts damit zu tun, was man im wirklichen Leben ist.

Die Gefahren, die vom Internet oder von Computerspielen ausgehen sind, dass man sich in der Realität von Freunden und der Familie isoliert; dass das virtuelle Ich wichtiger wird als das reale Ich; dass man sich in Zeit und Raum nicht mehr orientieren kann - z.B. bleibt man die ganze Nacht wach, um ein Spiel zu Ende zu spielen und schläft dann tagsüber, anstatt den Aufgaben der Realität nachzukommen. Außerdem können die Spiele zu einer Deregulation der Gefühle führen. Man hat Emotionen im Spiel, aber nicht mehr in der Wirklichkeit. Das ist bei PC-Spielen z.B. anders als beim Fernsehen. Man kann sich zudem regelrecht verlieren in den Spielen.

Es gibt bei der Medienabhängigkeit verschiedene Ausprägungen, wie z.B. PC-Spiele oder Kommunikationsplattformen. Hier wurde nun im Fragen- und Antwortenteil gefragt, ob es sich beim Computer in den verschiedenen Kategorien um ein Suchtmittel mit verschiedenen Ausprägungen handelt oder um komplett verschiedene Süchte. Die Meinung der Fachleute hierzu war, dass es sich um verschiedene Ausprägungen, aber ein Suchtmittel handelt.

Eine weitere Frage, die hier gestellt wurde, war, ob denn Glücksspiele am PC nicht ebenfalls unter Mediensucht fallen müssten. Dies wurde allerdings sowohl von den Fachleuten wie auch von betroffenen Medienabhängigen verneint. Beim Glücksspiel geht es darum, Geld zu gewinnen. Dieser Punkt trifft überhaupt nicht auf die Medienabhängigkeit zu.

Dann kam auch schon der letzte Punkt: Maßnahmen und Hilfsangebote. Medienabhängigkeit wird bisher noch nicht offiziell als Sucht anerkannt, wird aber von Fachleuten als solche angesehen. Hierfür gibt es Kriterien, die denen bei anderen Süchten ähneln. Da wäre einmal der Kontrollverlust - man kann das Spielverhalten nicht mehr kontrollieren - dann sind Entzugserscheinungen, bis hin zu körperlichen Entzugssyndromen möglich und ein Anstieg der Dosierung, ein starkes Verlangen sowie Desinteresse an anderen Tätigkeiten stellen weitere Merkmale dar.

Als Bedingungen, welche die Entstehung einer PC-Spielsucht begünstigen, wurden genannt:

  • Depressive und einzelgängerische Personen
  • Jungen und männliche junge Erwachsene
  • Psychische Belastungsfaktoren bzw. Traumatisierungserfahrung
  • Geringes Selbstwertgefühl
  • Arbeitslosigkeit

Als riskante Spielgewohnheiten wurden genannt, wenn man in Problemsituationen spielt, das Spielmotiv Machtausübung oder Kontrolle ist oder wenn gespielt wird, um das Selbstwertgefühl zu steigern. Ernstzunehmende Warnzeichen sind unter anderem nachlassende Aktivitäten oder gar gesundheitliche Einschränkungen wie z.B. Schlaflosigkeit.

Die Behandlungsaussichten bei Mediensucht sind gut. Da es in der heutigen Zeit schwer ist, komplett ohne Computer bzw. Internet klarzukommen, hat sich in der Therapie ein Ampelmodell bewährt. Bei diesem Ampelmodell steht Rot für ein Tabu - das bedeutet z.B. für einen PC-Spielsüchtigen: Hände weg von Spielen, oder für jemanden, bei dem es um die Kommunikation geht, beispielsweise, kein Facebook-Account zu haben. Gelb steht für gefährlich, kritisch. Hier muss der Betroffene besondere Vorsicht walten lassen. Und Grün steht für Okay. Was für jeden Einzelnen in welche Kategorie fällt, kann ganz unterschiedlich sein.

Nach dem Vortrag wurde ein kurzer Film gezeigt, in dem ein junger Mann in eindrucksvoller Weise von seinem Weg aus der PC-Spielsucht berichtete. Anschließend kam es zu einer interessanten und angeregten Diskussion über die Integration von Medienabhängigen in der Selbsthilfe. Hier wurde darüber diskutiert, ob eine Selbsthilfegruppe von Glücksspielsüchtigen die richtige Anlaufstelle für Medienabhängige ist. Am Ende der Diskussion kamen die Teilnehmer zu dem Schluss, dass es viele Gemeinsamkeiten zwischen Medienabhängigen und Glücksspielsüchtigen gibt, allerdings auch einige gravierende Unterschiede. Es wurde gesagt, dass eine Integration durchaus möglich ist, aber besonders in der Anfangszeit auch schwierig sein kann, denn gerade die Persönlichkeiten können sehr unterschiedlich sein. Haben Glücksspielsüchtige tendenziell eher narzisstische Züge, sind Medienabhängige oft sehr schüchterne und zurückhaltende Personen.

Insgesamt war es ein sehr informativer Nachmittag, der zu vielen neuen Erkenntnissen und einem regen Austausch geführt hat.

Miriam Leuthold