Freundeskreise für Suchtkrankenhilfe - 
Landesverband Baden e.V.

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Sie hatten Glück - Es war ihr Pech

Auszug aus dem Referat von Prof. Dr. Mann

Definition und Diagnostik Pathologisches Spielen 

Andauerndes und wiederkehrendes fehlangepasstes Spielverhalten, was sich in mindestens fünf der folgenden Merkmale ausdrückt: 

  1. Eingenommensein vom Glücksspiel
  2. Toleranzentwicklung
  3. Kontrollverlust
  4. Entzugserscheinungen (Unruhe, Gereiztheit)
  5. Spielen, um Problemen zu entkommen (Funktion)
  6. Lügen über das Ausmaß der Problematik
  7. Illegale Handlungen, um das Spielen zu finanzieren
  8. Gefährdung/Verlust wichtiger (beruflicher) Beziehungen
  9. Verlassen auf Geldbereitstellung durch andere 

Heutige Varianten des Glücksspiels 

  • Geldspielautomaten (Spielhallen, Casino)
  • Großes Spiel in Spielbanken (z. B.  Roulette, Black Jack)
  • Wetten (z. B. Sportwetten, Pferdewetten)
  • Lotterien (z. B. Lotto 6 aus 49, Klassenlotterien)
  • Glücksspielen im Internet (z. B. Online-Poker)
  • Spielen am Aktienmarkt 

Anmerkung: Spielsucht und Computersucht sind noch nicht als Sucht anerkannt. Fachleute sprechen daher von einer Impulskontrollstörung. 

Angebote und Umsätze 2006 -2009 in Deutschland 

  • 82 Spielbanken (690 Mio. € Umsatz; Abnahme um 23 % / 38 %  der Umsätze stammen von Kranken)
  • 12.300 Spielhallen (über 200.000 Geräte in Gaststätten), (3,3 Mrd. € Umsatz; Zunahme um 43 % / 56 % von Kranken)
  • Lotto (4,2 Mrd. € Umsatz, Abnahme um 13 % / 4 % von Kranken)
  • Onlinespiel (illegal): (880 Mio € Umsatz; / 60 % von Kranken) 

Prävalenz (Krankheitshäufigkeit) Deutschland 

Aufgrund unterschiedlicher Befragungen gibt es in Deutschland ca. 0,5 bis 0,9 % pathologische Spieler und ca. 0,64-1,4 % Problemspieler.

Anmerkung: Die Trennung zwischen Suchtmittelmissbrauch und Suchtmittelabhängigkeit soll zukünftig aufgehoben werden und stattdessen in suchtmittelbezogene Störung (auch Pathologische Imulsstörung) zusammengefasst werden. 

Verteilung behandelter Spieler auf die Spielvarianten 

  • Automatenspieler 79,3 %
  • Kleines Spiel in Casinos 32,4 % 
  • Roulette/Black Jack 16,8 %
  • Karten-,  Würfelspiele 15,9 %
  • Sportwetten 15,1 %
  • Lotto (6 aus 49)  6,0 % 

Zusätzliche Abhängigkeiten (Komorbidität) zur Spielsucht 

Befragungen unter Spielsüchtigen ergaben eine ganze Reihe zusätzlicher Abhängigkeiten oder Störungen zur Spielsucht, wie etwa 

  • Nikotinabhängigkeit
  • Alkoholabhängigkeit
  • Störungen durch Alkohol- oder Drogenkonsum
  • Affektive Störungen
  • Angststörungen 

Interessant dabei ist, dass etwa Angststörungen häufiger vor Beginn, depressive Störungen eher nach Beginn, substanzbezogene und psychosomatische Störungen etwa gleich häufig vor und nach Beginn eines pathologischen Spielverhaltens auftreten.

Suchtmodell  

1. Gewinnphase

  • Positives Anfangsstadium mit Gewinnerfahrung und anregenden, euphorisierenden Gefühlen bzw. gesteigertem Selbstwertgefühl. --> Belastende selbstwertbedrohliche Lebensereignisse können dann das weitere Spielverhalten steigern

2. Gewöhnung 

  • Toleranzentwicklung. Beleihung des Umfelds. Bezug zum realen Geldwert geht verloren. Verheimlichung. Soziale Probleme. --> Familiäre finanzielle Unterstützung bei gleichzeitigem Versprechen aufzuhören verstärken die Problematik.

3. Eigenständige Suchtdynamik

  • Kontrollverlust --> Straftaten
  • Psychopathologische Symptome --> Reizbarkeit, Ruhelosigkeit, Schuldgefühle, Antriebsminderung
  • Soziale Komplikationen --> Scheidung, Kriminalität 

Erklärungsmodell für die Aufrechterhaltung des selbstzerstörerischen Spielverhaltens  

  • Kognitive (gedankliche) Verzerrungen --> Subjektive unrealistische Gewinnerwartung des Glücksspielers 
  • Kognitive Verzerrungen verstärken trotz dauerhafter Verluste das problematische Spielverhalten. - Dabei drei zentrale Überzeugungen:
       1. „Durch Ausdauer, Wissen und Können lässt sich mit Glücksspielen Geld verdienen.“
       2. “Trotz der Verluste anderer kann man gewinnen.“
       3. „Durch dauerhaftes Engagement wird man belohnt.“
     
Computer- und  Internetabhängigkeit 

Die Computer- und Internetabhängigkeit ist gekennzeichnet durch ein fehlangepasstes Muster des Computer- und Internetgebrauchs, das zu klinisch bedeutsamem Leiden des Betroffenen oder der Angehörigen führt.  Als prägnantes Beispiel für das schnelle Abhängigkeitsverhältnis zu einem Computerspiel wird das Spiel World of Warcraft (WOW) angeführt. Es hat 12 Mio. Nutzer weltweit und besitzt u. a folgende kritisch zu betrachtende Merkmale: 

  • Avatar (grafischer Stellvertreter) mit besonderen Fähigkeiten sowie äußerer Erscheinung.
  • Ziel ist die Erreichung eines höchst möglichen Levels, der sich in Fähigkeiten, Besitz oder Position (Rangordnung des Spielers) kennzeichnet.
  • Immer neue Ziele, Spiel hat kein Ende. 

Diagnostische Kriterien für eine Computer- und Internetabhänigkeit

Sechs (oder mehr) der folgenden Symptome sind aufgetreten: 

  1. Eingeschränkte Wahrnehmung auf Internetaktivitäten
  2. Wiederholtes Versagen, den Impulsen der Internetnutzung zu widerstehen
  3. Internetgebrauch länger als ursprünglich beabsichtigt 
  4. Fortdauerndes Bemühen bzw. erfolglose Versuche, den Internetgebrauch einzustellen oder zu reduzieren
  5. Toleranzentwicklung
  6. Entzugssymptome (Missstimmung, Angst, Reizbarkeit und Langeweile)
  7. Exzessiver Zeitverbrauch im Zusammenhang mit dem Internet
  8. Exzessiver Aufwand wird betrieben, um Internetzugang zu erreichen  
  9. Fortgesetzter intensiver Internetgebrauch trotz des Eintretens körperlicher oder psychologischer Probleme 

Prävalenz (Krankheitshäufigkeit) Deutschland

Der Anteil an pathologischen Spielern wird (ohne Altersangabe) mit 1,5 % angegeben. Damit wäre die Häufigkeit, je nach Befragung, 3 x bis 1 ½ x so hoch wie bei den Glücksspielern. In der Altersgruppe 14-24 Jahren steigt die Häufigkeit sogar auf 2,4 %. 

Anmerkung: Aufgrund der unterschiedlichen Befragungsmethoden darf man solchen Zahlen auch mal misstrauen.

Folgen exzessiver Computernutzung 

  1. Im Extremfall Thrombose durch tagelanges Sitzen 
  2. Ermattung, Kopfschmerz, Schlafmangel; Schulterblattverschiebung infolge der Fehlbelastung des Skelettes und der Muskulatur 
  3. Gestörtes Essverhalten
  4. Soziale Isolation 
  5. Schul- und Ausbildungsprobleme 

Zum Schluss sei hier noch eine wichtige Aussage des vortragenden Dr. Mann wiedergegeben: Verbote und klare Regelungen verhindern weitgehend das Abgleiten in ein gestörtes Verhalten bzw. in eine Abhängigkeit. Daraus folgert auch eine Forderung an die Politik: 

  • Keine Teilöffnung für Sportwetten (keine Livewetten)
  • Keine Öffnung für Internetspiele
  • Keine Lockerung der Jackpotregelung 
  • Gesetzliche Handhabe für Gemeinden zur Begrenzung der Spielhallen
  • Haftbarmachung der Banken für Kreditkartenabbuchungen  

Leider ist aber zu befürchten, dass diese Forderungen kein Gehör finden; z. T. wird bereits Gegenteiliges umgesetzt, wie z. B. die erst jüngst erfolgte Privatisierung von Sportwetten.

aufgezeichnet von Uwe Aisenpreis