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Als ich 1993 zum Freundeskreis stieß, existierte noch keine Gruppe für Spielsüchtige (ein erster Versuch war gescheitert) und deshalb besuchte ich notgedrungen die Gruppe für Alkoholsucht. Einerseits fühlte ich mich freundlich aufgenommen, andererseits aber auch immer ein bisschen als Exot. Schnell stellte ich jedoch fest, dass wir sehr viel mehr gemeinsam hatten, als erwartet und die Gruppe für mich funktionierte. So gut jedenfalls, dass ich spielfrei blieb, schon allein aus Ehrgeiz, nicht beichten zu müssen rückfällig geworden zu sein.
Eines Tages erfuhr ich dann aus der Zeitung, dass sich woanders eine Gruppe für Spielsüchtige regelmäßig in einer Gaststätte traf und besuchte diese zusätzlich zu meiner Stammgruppe im Freundeskreis. Obwohl ich mich freute, auf Menschen mit dem gleichen Sucht-Thema zu treffen, war offensichtlich, dass diese Gruppe vollkommen anders tickte. Es gab keine Regeln, es wurde geraucht und gegessen, die Anzahl der Teilnehmer war klein und unregelmäßig und der Gruppenabend wurde oft durch den Gaststättenbetrieb gestört. Die Gruppe begann auch deshalb nach kurzer Zeit auseinander zu brechen.
Ich wandte mich deshalb an den Vorstand des Freundeskreises und bat darum, eine eigene Spielergruppe gründen zu dürfen. Zwar gab es Bedenken – Spieler galten irgendwie als unzuverlässig und unseriös - aber ich erhielt das Okay: das war genau vor 20 Jahren.
Eine Gruppenleiterausbildung hatte ich noch nicht, dies holte ich nun nach, besuchte aber in den ersten Jahren weiterhin meine alte Stammgruppe.
Als frischgebackener und nicht ausgelernter Gruppenleiter empfand ich es als eine besondere Herausforderung, dass eines der Gruppenmitglieder selber Therapeut war – zum Glück hat er mich dies aber nicht spüren lassen. Hinzu kam, dass am Anfang sehr viel Aufklärungsarbeit zum Thema "Spielsucht" geleistet werden musste – Spielsucht war damals noch eine relativ neue „Disziplin“ und keine anerkannte Krankheit: es gab auch keine von den Krankenkassen akzeptiere Therapie. Als Spielsüchtiger musste man als Therapiegrund Alkoholsucht oder Depressionen angeben. Es hieß also „Learning by Doing“.
Anfangs war auch der Besuch mäßig, wir waren mal zu weit oder zu dritt und an manchen Abenden saß ich alleine da und niemand tauchte auf. Oft machte ich mir damals Sorgen, wenn Leute nicht wieder kamen und fragte mich, ob ich zu hart oder zu direkt war. Viel Energie verwandte ich auch darauf, verlorene Schäfchen wieder einzufangen – ein meist zweckloses Unterfangen. Ich musste mit Hilfe anderer und erfahrener Gruppenleiter lernen, dass ein Gruppenleiter nicht für alles verantwortlich ist. Dabei haben mir auch die Supervisionsabende, die im Freundeskreis Karlsruhe regelmäßig angeboten werden, sehr geholfen.
Aber das Durchhalten machte sich trotz des einen oder anderen Rückschlages bezahlt. Nach zwei Jahren wuchs die Anzahl der Teilnehmer und stabilisierte sich. Dennoch fühlte ich mich noch eine ganze Weile nicht nur als Gruppenleiter als Einzelkämpfer: ich war der einzige Spieler, der Fortbildungen besuchte oder sich im Freundeskreis engagierte. 1997 kam zum Glück ein zweiter Gruppenleiter hinzu und um die Jahrtausendwende hatte sich die Spielergruppe mit einem festen Kern von 10-12 Teilnehmern endgültig etabliert.
In den darauffolgenden 15 Jahren hat sich die Gruppe natürlich verändert und weiterentwickelt. Sie besteht nicht nur aus Glückspielern und Angehörigen/Co-Abhängigen; auch Internet- und Computerspielsüchtige sind seit 5 Jahren fester Bestandteil der Spielergruppe. Seit drei Jahren haben wir eine Gruppenleiterin aus dem Bereich Internetsucht.
Aber auch der Verein und der Umgang miteinander haben sich verändert. Er ist heute offener für alle Formen von Suchtkrankheiten geworden und unsere Gruppenleiter agieren auf Augenhöhe mit den Gruppenmitgliedern (und stehen nicht mehr über Ihnen, so wie dies früher manchmal war). Hierbei sind die wesentlichen Bausteine dieser Fortentwicklung die vielen Weiterbildungs- und Seminarangebote vor allem des Landesverbandes sowie nach wie vor die regelmäßigen Gruppenleitertreffen und wie schon erwähnt die Supervision, die vom Freundeskreis Karlsruhe angeboten werden.
In letzter Zeit war die Spielergruppe manchmal mit bis zu 20 Besuchern so groß, dass wir darüber nachdachten, ein zweite Gruppe zu bilden, aber es hat es sich immer wieder auf ein gesundes Maß eingependelt. Aktuell beobachten wir, dass die Besucher der Gruppe tendenziell jünger werden, da die enorm gestiegene Anzahl von Spielotheken und die technische Weiterentwicklung der Spielautomaten inkl. viel höherer Gewinnausschüttungen mehr Suchtkranke produziert und eine schnellere Suchtentwicklung befördern. Hinzu kommt der immer aktuell werdende Bereich der Medien-, Computerspiel - und Internetsucht, die ebenfalls die Jüngeren betrifft. Und wenn schon jeder Fernsehsender mittlerweile Plattformen für Online Spiele anbietet, werden wir uns in Zukunft über einen Mangel an Bedarf sicher nicht beklagen können.
So gut, so schlecht würde ich sagen.
Roland Simon