Mitarbeiterfachtag 2014 und Jubiläum 5 Jahre FK LoS Gaggenau
Der diesjährige Mitarbeiterfachtag stand ganz im Zeichen des 5-jährigen Jubiläums des Freundeskreises LoS Gaggenau und wurde somit zu einer Doppelveranstaltung. Passenderweise fand diese Veranstaltung in der Fachklinik Fischerhaus in Gaggenau statt, zu welcher der FK LoS ein besonders enge Verbindung unterhält. So begrüßte dann auch als erster der Hausherr der Klinik, Stephan Peter-Höhner die Teilnehmer des Landesverbandes. Er stellte zunächst kurz seine Klinik vor, ging auf die so wichtige Verbindung von fachlicher Hilfe und Selbsthilfe ein und informierte darüber, dass etwa nur 10 % aller Suchtkranken durch die Suchthilfe erreicht werden. Herr Peter-Höhner führte dabei auch den neuen Begriff des Rehabilitanten (statt Klienten oder Patienten) ein. Im weiteren Verlauf seiner launig gehaltenen Rede betonte er ganz speziell den wohltuenden familiären Stil der Freundeskreisgruppen und ermutigte die Gruppe LoS, auf ihrem bisherigen Weg fortzufahren, auch indem er meinte, dass diese mit ihrem 5-jährigen Bestehen bereits die meisten Kippen umschifft habe.
Dieter Engel, Vorsitzender des „Nachbarvereins“ Freundeskreis Karlsruhe, betonte in seinem Grußwort an den FK LoS die enge Verbundenheit der beiden Freundeskreise, die u.a. dadurch entstanden ist, dass Mitglieder der LoS Gruppe auch an Gruppenabenden des Freundeskreises Karlsruhe teilgenommen haben, wobei gut zu beobachten war, wie unbeirrt von Schwierigkeiten die Freunde von LoS ihre Vorstellung von Selbsthilfe im Rahmen der Freundeskreis-Philosophie erfolgreich umgesetzt haben.
Ludwig Engels, der Vorsitzende unseres Landesverbandes ging bei der Begrüßung der Veranstaltungs-Teilnehmer insbesondere auf den besonderen Charakter dieser Doppelveranstaltung – Fachtagung und Jubiläumsfeier – ein. Zur Fachtagung stellte er den Referenten für das Tagungsthema vor, welches mit der Jubiläumsfeier ganz gut korrespondierte, nämlich „Die Geschichte der Freundeskreise“. Dabei verwies er auch auf seine persönlichen Erfahrungen mit der Verschiedenheit von Freundeskreisen. Er habe u. a. solche kennengelernt, die so arbeiten, wie sie immer gearbeitet haben und solche, die auch mal an ihre Wurzeln zurückgehen und danach fragen, was sie daraus für heute noch verwenden können.
Der Referent Erich Ernstberger, seines Zeichens Vorsitzender des bayerischen Landesverbandes der Freundeskreise, griff das Thema mit den Wurzeln auf, indem er einen kurzen Abriss über die Entstehung der Freundeskreise in den 50er Jahren in Württemberg gab, die sich vor allem aus ehemaligen Patienten (damals durfte man sie noch so nennen, siehe oben) aus den Suchtheilstätten, (wie sie seinerzeit genannt wurden) Ringenhof und Höchsten rekrutierten. Die Idee war, dass persönliche Beziehung und Freundschaft zur Stabilisierung der eigenen Persönlichkeit beitragen und damit auch die Grundlage zu Erlangung einer dauerhaften Abstinenz geschaffen werden kann. Damit waren folgende Gedanken verbunden:
- Ein Freund versteht mich so wie ich bin.
- Zwischen Freunden wird nicht nach Leistung und Gegenleistung bewertet.
- Freunde sind gleichberechtigt und wertschätzend im Miteinander.
- Auf einen Freund kann ich mich verlassen.
- Freundschaft ist ein Geschenk.
- Freunde begegnen sich bei Meinungsverschiedenheiten offen und ehrlich.
- Freunde können Meinungen zulassen, die nicht ihre eigenen sind.
- Freunde sind auch kritisch miteinander, jedoch nicht verletzend, sondern aufbauend und wertschätzend.
Da es zur Geschichte der Freundeskreise zwar einige Berichte ehemaliger Gründungsmitglieder, aber keine kontinuierliche Dokumentation gibt, sprach Erich Ernstberger in der Folge mehr aus seinen eigenen persönlichen Erfahrungen, vor allem aus Bayern. Hier waren die Ehrenamtlichen ursprünglich vorwiegend Rentner, da diese die meiste Zeit hatten. Heute findet eine gut funktionierende Kooperation zwischen berufstätigen Ehrenamtlichen und professionellen Suchthelfern statt, wobei letztere ihre Arbeitszeit mit der Freizeit der Ehrenamtlichen „partnerschaftlich teilen“. Derzeit stammen viele Ehrenamtliche in Bayern wie auch der Referent selbst, aus ehemaligen JuMus-Gruppen. Zur Erinnerung: JuMus (Junge Menschen und Sucht) war eines der wenigen gescheiterten Projekte unseres Bundesverbandes. Und Erich Ernstberger erklärte auch aus seiner Sicht einer der Gründe des Scheiterns: die jungen Menschen durften ein wenig rumspinnen und ausprobieren, was man alles anders machen könnte. Aber heraus kamen eine Art Rebellion und viel Aktionismus. Seine Empfehlung: statt Aktion offen sein für alles Neue.
Zum Thema Neugründung von Gruppen wies der Referent darauf hin, dass viele solcher Neugründungen auch oft aus Abspaltungen nach zuvor erfolgten Streitigkeiten entstehen. Grund solcher Auseinandersetzungen sind oftmals die Umstände, dass es einem Personenkreis nicht gelingt, die eigenen Grundsätze und Ansprüche in die Gruppenarbeit mit einzubeziehen. Positiver seien allerdings Neugründungen aufgrund einer gestiegenen Nachfrage zu bewerten.
Auch das leidige Thema Geld wurde natürlich angesprochen. Zur Durchführung ihrer Aufgaben brauchen Freundeskreise Geld. Ernstberger: da aber pauschale Zuschüsse zugunsten von Projektmitteln immer weniger werden, laufen Freundeskreise immer mehr den Projekten hinterher und es besteht die Gefahr, dass die eigentliche Arbeit und die eingangs beschriebenen Qualitätsmerkmale der Freundeskreisarbeit dabei zu kurz kommt.
Im Anschluss an das Referat, das Erich Ernstbeger übrigens frei von der Leber weg gehalten hatte, entspann sich noch eine lebhafte Diskussion über die Öffnung der Freundeskreise gegenüber neuen Süchten und über die Notwendigkeit der gegenseitigen Rücksichtnahme auf unterschiedliche Befindlichkeiten.
Nach einem hervorragenden Mittagessen, zubereitet und serviert von den „Rehabilitanten“ des Gastgeberhauses stand noch eine sehr interessante Führung durch die Fachklinik Fischerhaus auf dem Programm (siehe Kasten). Danach gaben Charlotte und Gerd Melcher mit Hilfe einer originell gestalteten Power-Point-Präsentation einen anschaulichen Rückblick über fünf Jahre Freundeskreis LoS, bei welcher vor allem auch die beachtlichen Aktivitäten deutlich wurden, welche diese Gruppe trotz mancher Hürden, die zu überwinden waren, entfaltet.
Bei Kaffee und Kuchen klang dann dieser außergewöhnliche Mitarbeiterfachtag, der nebenbei bemerkt in einer reizvollen und heimeligen Atmosphäre stattgefunden hatte, aus.
Uwe Aisenpreis
Führung durch die Fachklinik Fischer-Haus
Da die wenigsten Teilnehmer am Fachtag des Landesverbandes Baden die Fachklinik Fischer-Haus kannten, war die angebotene Hausführung eine gute Gelegenheit zu einem Blick hinter die Kulissen und die Struktur des Therapieangebotes. In Kleingruppen von jeweils 7–8 Personen wurden wir von einem Rehabilitanden, wie die Patienten inzwischen im Fachjargon heißen, durch das Haus bzw. die Anlage der Klinik geführt. Derzeit stehen meistens nur die uns gezeigten Zweibettzimmer zur Verfügung. Man ist aber dabei, das Angebot von Einbettzimmern mittels eines Neubaus, welcher bereits im Rohbau fertiggestellt ist, zu erweitern. Eine erwähnenswerte Tatsache ist, dass es einen Gebäudeteil gibt, in welchem die Möglichkeit besteht, dass die Rehabilitanden ihre Haustiere mitbringen und mit diesen, wie gewohnt, leben können.
Im Haus stehen den Männern eine Bibliothek, Freizeiträume mit Tischfußball etc., ein Kraftraum, welcher hauptsächlich unter fachlicher Anleitung genutzt wird, ein Fernsehzimmer, ein Saunabereich und diverse gemütliche Gesprächsecken zur Verfügung. Den lichtdurchfluteten Speisesaal mit der hervorragenden Küche konnten wir ja alle persönlich beim Mittagessen kennenlernen.
Danach bekamen wir einen Einblick in die therapeutischen Einrichtungen. Angefangen vom Außenbereich mit der Tierhaltung von Pferden, Ziegen usw. bis zur Gärtnerei. Hier werden Blumen und Pflanzen gezogen, welche auch zum Verkauf stehen und im Freiland und Gewächshäusern Gemüse und Obst für den eigenen Küchenbedarf.
Wir bekamen eine große und gut eingerichtete Schreinerei zu sehen, einen weiteren Bereich für arbeiten mit Stein und anderen Materialien. Insgesamt werden hier sinnvolle Dinge, vom Kinderspielzeug über alltägliche Gegenstände hergestellt und dann zum Verkauf angeboten.
Es war ein interessanter Gang durch das Haus und an den Wänden konnten man dabei auch immer Bilder aus den unterschiedlichsten Materialien und Skulpturen bestaunen, angefertigt von früheren Patienten.
Dieter Engel