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Bericht vom Familien- und Angehörigen-Seminars 2015 des Landesverbandes
Im Mittelpunkt des diesjährigen, im Zeitraum 11.-13. September 2015 in Bad Herrenalb veranstalteten Familien- und Angehörigen-Seminars stand die Auseinandersetzung mit unserer „Rolle im dysfunktionalen Familiensystem“.
Interessierte und aufmerksame Stille herrschte bereits bei der Vorstellungsrunde am Freitagabend im Raum, als ein mit bunten Bändern, Bussard- und Rabenfedern verzierter indianischer Redestab von SprecherIn zu SprecherIn wanderte und diese einen kurzen Einblick in ihre derzeitige Lebenssituation und -geschichte gaben. Anschließend bildeten wir, entsprechend der von Uta gestellten Frage, in welche Geschwisterkonstellation (Erstgeboren, „Sandwichkind“, Nesthäkchen oder Einzelkind) wir geboren wurden, Gruppen im Raum. Der Austausch über Chancen und Herausforderungen sowie das Fühlen und Erleben der Rollen ließen uns bald Parallelen untereinander erkennen, regten uns zu intensiven Gesprächen an und weckten unsere Neugier auf den kommenden Seminartag.
Am Samstagvormittag wurde uns von Barbara Kunz in ihrem dialogisch gestalteten Vortrag ein Einblick in die (Dys-)Funktionalität von Familien mit Suchthintergrund aus systemtherapeutischer Perspektive gegeben. Als Betroffene, langjähriges Freundeskreismitglied und aufgrund ihrer Ausbildung zur Systemischen Familientherapeutin gelang es ihr, anhand eines Mobiles, an dessen Armen Mutter, Vater, Sohn und Tochter platziert waren, fachlich fundiertes Wissen über typische Rollen, Rollenverhalten, Familienregeln, Systemintegrität und -mechanismen plastisch zu veranschaulichen. Ob als HeldIn, schwarzes Schaf, Clown oder stilles Kind, so stellte sich heraus, trägt jede Rolle auf ihre Weise dazu bei, das durch die Sucht aus dem Gleichgewicht gebrachte Familiensystem auszutarieren. Dass die Stilisierung der Rollen oftmals zum Nachteil der Betroffenen ausarten kann, hatten wir bereits am Abend zuvor festgestellt. Dies wurde im Vortrag durch Erfahrungsberichte der SeminarteilnehmerInnen auf eine weitere Reflexionsebene gehoben, was uns half, die Sensibilität und Eigenlogik von Familiensystemen besser nachvollziehen zu können. Die angeleitete Kleingruppenarbeit am Nachmittag bot Raum und Zeit, offene Fragen und Themen aufzugreifen.
Meditativ und kreativ wurde das Seminar mit der malerischen, schriftlichen oder collagierten Gestaltung der Geschichte des Adlers, der sich für ein Huhn hielt, abgerundet. Als Küken, von einem Bauer in den Hühnerstall gesetzt, verbrachte dieser den lieben langenTag damit, wie seine vermeintlichen Artgenossen im Sand zu scharren und mit dem Schnabel nach Körnern zu picken. Als eines Tages ein kundiger Mann den Adler aus der Schar der Hühner und auf dem Arm in die Höhe hob, ängstigte dies den Adler so sehr, dass er nichts mehr wollte als in sein bekanntes Umfeld zurückgesetzt zu werden. Erst beim dritten Versuch, als der kundige Mann den Adler auf einen Berg mitnahm, dass er die Sonne sehen konnte, erkannte der Adler seine wahre Natur. Er breitete die Flügel aus und flog der Sonne entgegen.
Wie es sich während der Besprechung der Kunstwerke herausstellte, war es uns allen im Zuge der Geschichte und deren gestalterischer Umsetzung gelungen, uns selbst dort abzuholen, wo wir uns momentan selbst sehen: Noch in den dysfunktionalen Strukturen unserer Herkunftsfamilie verhaftet? Bereits ausgebrochen und doch noch alten Verhaltensmustern folgend? Zu verbissen dem Versuch nacheifernd, typisches Rollenverhalten umzupolen, obwohl es situativ betrachtet tatsächlich von Vorteil sein kann?
Das Seminar mitsamt seiner Konzeption, dem Einsatz, Feingefühl und fachlichem Knowhow des Organisations- und Vorbereitungsteams stieß auf durchweg positive Resonanz der TeilnehmerInnen. Neben der Möglichkeit zum Austausch über emotional berührende Themen wurden viele auf neue Ansatzpunkte zur Auseinandersetzung mit ihrer eigenen Geschichte aufmerksam.
Claudia Olma und Carolin Süß