Freundeskreise für Suchtkrankenhilfe - 
Landesverband Baden e.V.

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Mitarbeitertag der Freundeskreise am 07. 05.2006 in Rastatt

"Drogen und ihre Wirkungsweisen" lautete das Thema, das Herr Helm Jetter, Mitarbeiter der AG Drogen e.V. Heidelberg, den dreißig MitarbeiterInnen der Freundeskreise (davon zwanzig!!!) weiblich, näherbrachte. Ziel war es, uns darüber zu informieren, wie wir als Freundeskreis für Suchtkrankenhilfe auf Menschen, Abhängige und Angehörige, eingehen können, die mit anderen Suchtproblematiken als Alkohol, Medikamente und süchtigem Spielen zu uns kommen. Im Mittelpunkt standen Fragen wie:

  • Wie gehen wir mit neuen Süchten ( z.B. Drogen) um, mit denen vor Allem jüngere Menschen in die Gruppen kommen ?
  • können wir auf Bewährtes in unserer Arbeit zurückgreifen oder müssen wir unsere Arbeit verändern?

Nach der Begrüßung und Einführung ins Thema durch Brigitte Sander-Unland folgte ein Vortrag durch den Referenten. Herr Jetter stellte zuerst die Arbeit der PSB Wiesloch mit ihrem breit gefächerten Angebot von Prävention, Kurztherapie, Angebote in der JVA, Nachsorge und Öffentlichkeitsarbeit vor. Hier fand ich den Hinweis auf die Schweigepflicht wichtig, die die Mitarbeiter der Beratungsstelle auch gegenüber der Polizei haben. Von Bedeutung für uns ist dies, falls ein Süchtiger illegale Drogen, die sich in seinem Besitz befinden, abgeben möchte. Die Mitarbeiter der PSB sind nicht Verpflichtet, Auskunft über die Herkunft der Drogen zu geben. Wir wären das schon.

Illegale Drogen

Ende der 60er Jahre waren Konsumenten von illegalen Drohen wie Canabis, LSD, Heroin oder Ritalin „Exoten“ in der Gesellschaft, heute gehören sie zum Alltag. Einige Statistiken zur Veranschaulichung:

DrogenartKonsumverhalten
 probiertregelmäßigEinstiegsalter
Alkohol90%30%12,4 Jahre
Nikotin70%40%13,6 Jahre
Illegale Drogen (haupts. Cannabis)30%unter 10%16,4 Jahre

 

Alkoholkonsum
   13% der Bevölkerung trinken keinen Alkohol
   37% der Bevölkerung trinken 6 % der verkauften Alkoholmenge eines Jahres (Genußtrinker)
   40% der Bevölkerung trinken 44% der verkauften Alkoholmenge eines Jahres (Risikogruppe)
9-10% der Bevölkerung trinken 50% der verkauften Alkoholmenge eines Jahres (Suchtkranke)

 

Anteil der Konsumenten von Suchtmitteln, die eine Abhängigkeit entwickeln
Niktotin32,2%Kokain6,7%
Opioide (Schmerzmittel - Heroin gehört zu diesem Bereich)24,9%Stimulanzien6,3%
Alkohol9,6%Halluzinogene6,3%
Beruhigungsmittel7,3%Cannabis4,8%

 

Der geringe Prozentsatz der Kokainabhängigen erklärt sich aus den hohen Preisen für diese Droge. Bei Canabis liegt es daran , daß es sich hierbei um eine „Jugenddroge“ handelt. Sie kommt den Bedürfnissen Pubertierender entgegen, die meisten Konsumenten hören nach der Pubertät damit auf. Circa jeder zwanzigste bleibt jedoch dabei und wird abhängig.

Auch bei den illegalen Drogen greift die Einteilung in Nichtkonsumenten, Gelegenheitskonsumenten und Abhängige.

Nicht jeder, der einmal konsumiert wird abhängig, aber jeder Abhängige hat einmal das Erste Mal konsumiert!

Wirkungsweise von Drogen

Jede Droge hat auch eine angenehme Wirkung auf den Konsumenten: Entspannend, Angst lösend und abschirmend wirken Alkohol, Opiate, Beruhigungs-und Schlafmittel. Anregend und stimulierend wirken Amphetamine, Speed, Kokain, Nikotin. Bewußtseinserweiternd wirken Blütenpflanzen, Fliegenpilze, LSD. Camabis wirkt sowohl dämpfend wie auch bewußtseinserweiternd; Ecstasy wirkt anregend und bewußtseinserweiternd. Die Droge, die persönliche Defizite am ehesten ausgleicht, wirkt am anziehendsten.

Daraus leitet sich die Schlußfolgerung ab, daß eine Person, die ihre Alkoholabhängigkeit überwindet, vorsichtig sein sollte beim Gebrauch von Beruhigungs- u. Schlafmittel , da diese, wie auch Opiate und Alkohol, entspannend und Angst lösend wirken.

Alle Drogen wirken auf das sog. „Lustzentrum“ des Gehirns ein, man spricht auch vom „Belohnungssystem“ des Gehirns. Jede Droge löst im Körper eine sog. „Toleranzbildung“ aus. Bei einer Abhängigkeit entwickelt sich ein „Suchtgedächtnis“: es kann zu sog. Flashbacks kommen, in denen der Suchtreiz durch das Anschauen von Bildern (Alkohol- oder Zigarettenwerbung), oder die plötzliche Konfrontation mit Situationen, in denen man früher konsumiert hat, ausgelöst wird und der Betreffende „wie in Trance“ , auch nach längerer Abstinenz zu seinem Suchtmittel greift. Dies gilt für alle Suchtmittel, egal ob Alkohol, Zigaretten, illegale Drogen oder nichtstoffliche Abhängigkeiten (Spielsucht...)

Zur Therapie von Drogenabhängigen

Auch bei Drogenabhängigkeit gillt, daß Sucht nicht heilbar ist, sondern nur zum Stillstand gebracht werden kann. Bei Drogenkonsumenten kommt erschwerend für die Therapie hinzu, daß oft nicht nur eine Abhängigkeit von einem Suchtmittel besteht, sondern von mehreren z.B. LSD, Alkohol, Nikotin, Tabletten. Macht ein Suchtkranker eine Therapie mit dem Ziel, von nur einem seiner Suchtmittel frei zu werden, besteht wenig Aussicht auf Erfolg.

Im Beratungsgespräch darf die positive Wirkung der Droge ( Erhöhung der Selbstsicherheit, Abbau von Angstgefühlen, Beruhigung, Leistungssteigerung...) die der Abhängige erfahren hat, nicht geleugnet werden sondern muß als real genommen werden. Wichtig ist dann, auch die negativen Auswirkungen deutlich zu machen und aufzuzeigen, daß der Konsum wegen der negativen Auswirkungen sofort aufgegeben werden müßte, trotz der auch positiven Wirkungen. Es hat sich gezeigt, dass Entzugsbehandlungen aufgrund von Zwang von außen, z.B. wegen Führerscheinentzug, gerichtlichen Auflagen u.s.w., genauso erfolgreich sind wie Behandlungen aufgrund von Freiwilligkeit.

Motivationsstufen zur Suchtbewältigung 
Vor der Einsicht"Ich glaube, ich habe Fehler, aber es gibt nichts, was ich ändern müsste"
Die Einsicht"Ich habe ein Problem und ich denke, ich sollte daran arbeiten"
Die Vorbereitung"Erste Abstinenzversuche"
Die Tat"Ich tu jetzt was"
Standhaft bleiben"Ich ändere meine Lebensweise"

 

Hinweise zur Integration von Drogenabhängigen in die Freundeskreisgruppen

  • Gut zu integrieren sind Menschen, die nur von einer Droge abhängig sind
  • Mehrfachabhängige, die nur auf eine Droge verzichten, sind nicht in eine Abstinenzgruppe integrierbar (Nebenbemerkung zum Zigarettenkonsum: Nikotin verursacht keine psychischen- oder Verhaltensveränderungen und ist daher tolerierbar, wenn man von den gesundheitlichen Folgen einmal absieht und der Belästigung der Nichtraucher im selben Raum).
  • Politoxe (mehrfachabhängige) Personen, die abstinent oder stabil in der Substitution sind, ohne Beikonsum anderer Suchtmittel (bei Opiatabhängigen oft Alkohol, bei Kokainabhängigen oft Amphetamine) sind gut integrierbar.

Besuchen abstinente Drogenabhängige eine Gruppe, ist es hilfreich, etwas über die unterschiedlichen Persönlichkeitsstrukturen zu wissen.

Alkoholabhängige Menschen sind von ihrer Persönlichkeit eher angepaßt, sie halten sich gerne an vorgegebenen Regeln und Strukturen, sind in ihrem Verhalten eher zwanghaft, und werden still oder ziehen sich zurück, wenn sie unsicher sind.

Drogenabhängige Menschen sind eher überaktiv, sie reagieren mit Agression und Konfrontation nach dem Motto „Frechheit siegt“, wenn sie sich unsicher oder angegriffen fühlen.

Diese Einteilung kann natürlich nur als ganz grobes Raster gesehen werden, baut aber eventuell Unsicherheiten und Ängste im Umgang mit Drogenabhängigen ab, wenn man weiß, dass sich hinter dem forschem Auftreten auch das Gefühl von mangelndem Selbstvertrauen verbirgt, wie wir es auch kennen.

Das Fazit des Vormittags und des Vortrags von Herrn Jetter kann man wie folgt zusammenfassen:

  • Keine Angst vor Drogenabhängigen in den Gruppen
  • Keine Angst vor der Illegalität der Drogen (wie legal ist es eigentlich, alkoholisiert Auto zu fahren oder bei der Arbeit Maschinen zu bedienen?)
  • Es gibt keine „besseren“ oder „schlechteren“ Abhängigkeiten. Manchmal können trockene Alkoholiker sehr intolerant gegenüber anderen Suchtmittelabhängigen reagieren. Hier würde den Gruppenleitern die Aufgabe zufallen, für Informationen und die nötige Toleranz zu sorgen.
  • „Hyperaktiv agierende“ Drogenabhängige kann man gut integrieren, wenn man die Absprachen mit ihnen trifft, sie auf ihr Verhalten hinweisen und ggf. Veränderungsstrategien mit ihnen erarbeitet.
  • Wichtig ist auch die Einhaltung der Gruppenregeln durch alle Gruppenmitglieder.

Nach einer Mittagspause bei Sonnenschein und herrlich warmem Wetter trafen wir uns nach einer Stunde zur Nachmittagsrunde wieder. Da wir am Vormittag viel “Input“ in Form eines sehr interessanten Vortrags erhalten hatten, stand der Nachmittag unter Motto des Erfahrungsaustauschs und der Reflexion des Gehörten. Zwei Frauen aus dem Freundeskreis Karlsruhe, selbst betroffene ehemalige Mehrfachabhängige, erzählten von ihrer Sucht und ihren Erfahrungen im Freundeskreis. Ihnen ist es ein besonderes Anliegen, uns zu vermitteln, dass abstinent lebende Drogenabhängige kein „spezielles“ Angebot und keine „besondere“ Hilfe von uns in den Gruppen brauchen, sondern dass sie genau so angenommen sein wollen wie jedes andere Gruppenmitglied auch. Was sie brauchen ist jemand, der ihnen zuhört und sie so annimmt, wie sie sind, ohne Vorurteile und Ängste.

Ich war sehr berührt von den Schilderungen diese Freundinnen und danke ihnen für die Offenheit und den Mut, den sie aufgebracht hatten, um uns alle an ihren Erfahrungen teilhaben zu lassen. Nachdem wir unsere Erfahrungen und auftauchende Fragen zum heutigen Tage in Kleingruppen besprochen hatten und uns danach nochmal im Plenum trafen, ging ein sehr informativer Tag zu Ende.

Barbara Kunz