Öffentlichkeitsarbeit im Landesverband Baden
Immer wieder stellen sich Freundeskreisler die Frage: „Sind wir in der Öffentlichkeit eigentlich genug präsent – kennt man im Zusammenhang mit der (ehrenamtlichen) Suchtkrankenhilfe den Namen „Freundeskreis“ überhaupt zur Genüge?“ Die Antwort lautet sicherlich „Nein!“ Wenn in Medien, Zeitungen, Zeitschriften und vor allem auch im Fernsehen von Suchtselbsthilfe die Rede ist, dann fast ausschließlich von den AAs, gelegentlich auch vom Blauen Kreuz, selten schon von Guttemplern oder dem Kreuzbund – aber Freundeskreise?
Eine Ursache liegt, neben der Größe des Verbandes, evtl. auch im Namen selbst. „Freundeskreis“ - sicher vom Ursprungsgedanken her gut ausgedacht, ist inzwischen zu beliebig. Es gibt unzählige Freundeskreise für alle möglichen Konstellationen bis zum richtigen, persönlichen Freundeskreis. Der Freundeskreis Karlsruhe hat die Beliebigkeit des Begriffs sogar positiv umgedreht und daraus den Slogan entwickelt: „Sie suchen eine Selbsthilfegruppe? – Warum nicht einen Freundeskreis?“
Nicht umsonst hat sich unser Bundesverband, um sich von den zahllosen anderen Freundeskreisen abzugrenzen, vom ursprünglichen Namen „Bundesarbeitsgemeinschaft der Freundeskreise in Deutschland e.V.“ in „Freundeskreise für Suchtkrankenhilfe – Bundesverband e.V.“ umbenannt. Der Begriff Suchtkrankenhilfe wird jetzt direkt mit den Freundeskreisen in Verbindung gebracht. Die regionalen Freundeskreise und Landesverbände zogen da zumeist sinngemäß nach.
Soweit zur Namensgebung, die den Begriff „Freundeskreise“ deutlicher abgrenzt und sich jetzt vielleicht sogar gegenüber den etablierten Benennungen durch positive Assoziationen zu „Freund“ und „Hilfe“ als vorteilhaft erweist. Das alles macht uns aber noch nicht bekannt; jetzt müssen wir die Marke „Freundeskreis...Suchtkrankenhilfe“ auch vermarkten, im wörtlichen Sinn „zu Markte tragen“.
Genau das tun der Landesverband Baden und dessen Mitgliedsvereine und -gruppen verstärkt seit einigen Jahren. Nicht dass die badischen Freundeskreise nicht schon früher auf Marktplätzen und sonstigen öffentlichen Räumen mit Infoständen präsent waren – aber die Besucherzahlen und damit die mögliche Anzahl an Kontakten war doch häufig frustrierend gering, auch und gerade auf fachspezifischen Veranstaltungen wie z. B. Messen zum Thema „Gesundheit“. Seit ca. 3 Jahren haben die Freundeskreise in Baden die großen Messen mit entsprechenden Menschenmassen für sich entdeckt. Vorreiter waren die „Lotsen“ aus Mannheim, die sich auf den Mannheimer Maimarkt, die größte Regionalmesse Deutschlands, trauten. Aufgrund der dort gemachten positiven Erfahrungen schrieb sich auch der Landesverband das Auftreten auf Messen auf die Fahnen. Dies führte zur Entwicklung eines professionellen Messestandes, dessen Anschaffung von der AOK Baden-Württemberg großzügig gefördert wurde. Clou dieses Standes ist eine modulare Rückwand, deren einzelnen Teile austauschbar sind und die mit ansprechendem Design sowohl den Landesverband als auch die einzelnen regionalen Gruppen in wiedererkennbarem Freundeskreis-Look repräsentieren können. Dieser Messestand kann dann auch von einzelnen Freundeskreisen für ihre Zwecke flexibel eingerichtet werden und steht den Mitgliedsvereinen/-gruppen kostenfrei zur Verfügung.
Erstmals eingesetzt wurde dieser Stand dann auf der Offerta in Karlsruhe, einer der größten Endverbrauchermessen in Deutschland. Neben der üblichen Auslage von Informationsschriften und Fragebögen wurden sowohl in Mannheim als auch in Karlsruhe sog. Rauschbrillen eingesetzt. Mit Hilfe dieser Brillen werden die Einschränkungen des Gesichtsfeldes, der visuellen Wahrnehmung und des Gleichgewichtsgefühls unter bestimmten Promillewerten oder durch den Einfluss von Drogen simuliert. Wenn die Probanden dann – es hat sich gezeigt, dass man die vorbeidefilierenden Messebesucher gezielt ansprechen muss – einen Hütchenparcour nicht sicher durchschreiten, geworfene Bälle nicht auffangen oder eine Wohnungstür nicht aufschließen können, wenn sie sich also merkwürdig bzw. auffällig verhalten, erregen sie die Aufmerksamkeit der ansonsten achtlos Vorübergehenden und schnell hat man einen regelrechten Andrang am Messestand. Und ganz leicht eröffnet sich dann die Möglichkeit, sowohl mit den Aktiven als auch den Zuschauern ins Gespräch zu kommen. Im vergangenen Jahr konnte diese Attraktion durch einen Fahrsimulator noch getoppt werden. Leider konnten aber die damals angebotenen Sonderkonditionen für den Verleih dieses Gerätes im folgenden Jahr nicht nochmals ausgehandelt werden.
Erstmals wurden beim Auftritt auf der Karlsruher Offerta auch Zählungen durchgeführt, die zu erstaunlichen Ergebnissen führten. An etwa 200 Messebesucher konnten Fragebögen zu Suchtverhalten verteilt werden, über 300 Flyer mit Kontaktdaten wurden mitgenommen, mehr als 4000 Probanden konnten für den Promilleparcour bzw. den Fahrsimulator motiviert werden, 150 bis 250 Informationsgespräche wurden registriert. Für Nachhaltigkeit bei den Besuchern sorgte auch das Verteilen von ca. 1200 Visiten-Karten-Kalendern und Papiertaschentüchern mit „Freundeskreis“-Aufdruck.
Einige Voraussetzungen müssen allerdings erfüllt sein, um solche Traumzahlen zu erreichen. Da wäre als erstes die Größe der Veranstaltungen selbst. Nur die schiere Masse bringt solche Besucherzahlen hervor. Dann ist ein attraktiver Standort des Messestandes noch wichtig – im Falle Offerta war dieser sehr exklusiv neben einem riesigen, unübersehbaren Stand der AOK. Zugegebenermaßen hat man auf eine solche Platzierung nicht immer einen direkten Einfluss. Hinzukommen muss ein Zuschauermagnet (Beispiel: Rauschbrillen, Fahrsimulator). Und als letztes und ebenso wichtig ist das Talent und die Bereitschaft der Helfer am Stand, die vorbeiziehenden Besucher anzusprechen und zum Mitmachen zu motivieren. Die (mathematisch einfache) Formel zum Erfolg lautet also: Größe Veranstaltung + günstiger Standort + attraktives Angebot + engagierter Einsatz von Helfern. Es soll hier auch nicht verschwiegen werden, dass ein solcher Auftritt bereits im Vorfeld als auch an den Messetagen selbst eine ganze Menge Arbeit erfordert; aber, wie es einige der Beteiligten formulieren, Arbeit, die durchaus auch Spaß macht.
Wir wollen aber trotz des neu ausgerichteten Fokus auf Großveranstaltungen auch die kleineren, regionalen Veranstaltungen oder Initiativen nicht aus den Augen verlieren. So hat beispielsweise der Freundeskreis Karlsruhe anlässlich des 20-jährigen Bestehens seiner Spielergruppe einen „Tag der offenen Tür“ veranstaltet. Ein weithin sichtbares Transparent am Balkon seines Domizils in exponierter City Lage machte schon Wochen vorher auf diese Veranstaltung aufmerksam und prägte darüber hinaus den Passanten das Freundeskreis-Logo und den „Freundeskreis für Suchtkrankenhilfe“ als Begriff ein. Durch gezielte Einladung von offiziellen Behörden der Stadt, fachspezifischen Organisationen und natürlich auch der Medien konnte der Bekanntheitsgrad des Freundeskreises erheblich gesteigert werden, was erfreulicherweise auch endlich dazu führte, dass bei der Stadt keiner mehr sagen konnte: „ihr seid zu wenig bekannt.“ Mit einer weiteren Veranstaltung, einer Fotoausstellung zum Thema Sucht mit eigens für diese Veranstaltung gestalteten Fotos eines ortsansässigen Fotokünstlers konnte mindestens nochmals dieselbe Aufmerksamkeit erreicht werden. Hinzu kommt, dass diese Fotoausstellung auch auf Wanderschaft geht und somit noch über die eigenen Stadtgrenzen hinaus wirkt.
Auch das jüngste Mitglied des badischen Landesverbandes, der Freundeskreis Freiburg, hat mit einer regionalen Initiative Aufsehen erregt. Bei einem Informationsabend „Kind Sucht Eltern“ konnte auf die Situation von Kindern suchtkranker Eltern aufmerksam und das Projekt „Modellprojekt Arbeit mit Kindern von Suchtkranken“ vorgestellt werden. Zugpferd dieser Veranstaltung war der ehemalige Fußballnationalspieler und trockene Alkoholiker Uli Borowka, der durch die Veröffentlichung seiner Biographie „Volle Pulle“ und die damit verbundenen häufigen Fernsehauftritte deutschlandweit bekannt geworden ist.
Und der Landesverband konnte sein neuestes Mitglied dann auch kurz danach beim Auftritt einer Großveranstaltung unterstützen. Bei einem Event der Stadt Freiburg mit dem Titel „Freiburg stimmt ein“ – einer Open Air Veranstaltung, die bewusst vegan und alkoholfrei durchgeführt wurde und bei der u. a. 120 Musikgruppen aufspielten, war der Freundeskreis Freiburg mit einem Infostand vertreten, wobei der Landesverband, nach den Worten des Freiburger FK-Vorsitzenden „uns aufgezeigt hat, wie einfach es ist, die Besucher an den Stand zu locken“. Denn auch hier kamen die Suchtbrillen zum Einsatz. Und vom selben neuen Verbandsmitglied stammt auch die Erkenntnis: „Wer nicht in die Öffentlichkeit geht mit seiner Erfahrung, die er gemacht hat, der muss sich auch nicht wundern, wenn es keiner weiß.“
Gerade auch die Aktivitäten der einzelnen Mitgliedsvereine/-gruppen zeigen, dass es nicht alleine die Institution „Landesverband“ ist, die hier etwas bewirkt; aber sie zeigen auch, dass der Landesverband so gut und so stark ist, wie die Summe der Kreativität und des Engagements seiner Mitglieder.
Uwe Aisenpreis