Pippi Langstrumpf versus Struwwelliese
Ein Bericht über das Frauenseminar mit dem Thema Scham
Stell dir vor, du sitzt in einem schönen Restaurant. Deine Begleiterinnen haben sich sehr schick angezogen. Während ihr lebhaft ein Gespräch führt, stößt du ein Glas Saft der Tischnachbarin um und der Inhalt ergießt sich über der weißen Hose deines Gegenübers.
Wahrscheinlich kennt jeder eine solche oder ähnliche Situation und spürte dabei eine gewisse Peinlichkeit, vielleicht sogar Scham. Scham war es nun auch, die uns während des ganzen Wochenendes in Bad Herrenalb auf dem Frauenseminar begleitet hat. Nicht, weil wir uns von einer peinlichen Situation zur nächsten gehangelt haben, sondern, weil es der Wunsch vieler Frauen war, dieses Thema intensiv zu bearbeiten.
So trafen wir uns Anfang Juli an einem sonnigen Freitagabend, begrüßten vertraute Gesichter und hießen Neuzugänge herzlich willkommen. Manch eine war gespannt und neugierig andere eher etwas nervös, denn schließlich könnten Dinge auf den Tisch kommen, für die sich schon so lange geschämt wurde.
Nach dem Abendessen ging es auch schon los. Zunächst erreichte uns die Nachricht, dass die Referentin aufgrund eines Trauerfalls in letzter Minute abgesagt hatte und die Organisatorinnen nun kurzerhand alles selbst übernehmen mussten. Zu den Organisatorinnen gehören wie auch schon in den Jahren zuvor Sheila Küffer, Uta Münchgesang, Ute Meise und Simone Engels. Neu im Team ist Miriam Meyer vom Freundeskreis Karlsruhe.
Zum Einstieg versetzten wir uns in peinliche Situationen und ergründeten unsere Gefühle und Gedanken dazu. Diese Übung regte uns zu einem lebendigen Austausch mit den anderen Teilnehmerinnen an.Mit einer kurzen Meditation nach dem Frühstück des nächsten Tages, ging es erstmal darum, Kontakt zu der eigenen Gefühlslage herzustellen. Dazu malte jede ein Tier, das genau diese beschrieb. Bei dem anschließenden Vortrag lernten wir viel Wissenswertes über Scham. Dazu gehörten Anregungen zu den Fragen welche verschiedene Arten von Scham es gibt, wie Scham entsteht, welchen Sinn und Zweck sie zum Beispiel in unserer Gesellschaft erfüllt und was Scham entgegenwirkt. Als Beispiel wurde Pippi Langstrumpf herangezogen. Ein Mädchen, das sein darf wie es will und die sich von niemand für ihr Verhalten verurteilen lässt. Dagegen erzählt das Erziehungsbuch Struwwelliese von einem wilden Mädchen, ähnlich wie Pippi Langstrumpf, das im Laufe der Geschichte mit Hilfe von Scham zu einem sittsame, braven Mädchenideal erzogen wurde.
Anschließend sprachen wir in Kleingruppen über unsere individuellen Erfahrungen mit Scham. Wir erarbeiteten die Zutaten aus der Gifteküche. Das sind Sprüche, Gesten oder Blicke, die Scham in uns aufkeimen lassen. Dies machte uns noch einmal bewusst, wie manch eine Erziehung, ähnlich wie bei Struwwelliese Scham auslöste.
Nach einer Pause verwendete Uta ihr eigenes Rezept um die Nachmittagsmüdigkeit zu vertreiben. Passend zur laufenden Fußball WM tankten wir mit einem Hawaiianischem Fußballlied mitsamt Choreographie Frische für den Endspurt des Tages.
Wiederrum in der Kleingruppe besprachen wir selbst erlebte Situationen welche Scham in uns hervorriefen. Eine davon wählten wir aus um diese mit Hilfe der Skulputerntechnik genauer zu betrachten und einen alternativen schamfreien Weg aus dieser Situation zu finden.
Der Abend konnte individuell gestaltet werden. Es wurde ein Film auf großer Leinwand angeboten und viele zog es in die hiesige Eisdiele um dort mit einer Erfrischung in der Hand noch zu plauschen. Schließlich sollen auch zwischenmenschliche Beziehungen auf dem Frauenseminar gepflegt werden.
Der letzte Tag brach an. Im Plenum erhielt jede ein Blatt Papier, das auf den Rücken geklebt wurde. Die Aufgabe bestand darin, die Stärken der jeweiligen Frauen aufzuschreiben. Dies war ein Leichtes, da man in diesen intensiven zwei Tagen doch einige Frauen in den Kleingruppen, beim Essen und gemeinsamen Aktivitäten recht gut kennengelernt hatte. Am Ende durfte man sich sein Blatt ansehen und nicht wenige waren überrascht, was darauf geschrieben stand. Manche Stärken kannte man schon, andere waren einem noch nicht einmal bewusst. Sich seiner Stärken bewusst sein, heißt Selbstvertrauen zu haben. Dies erzeugt Stolz und Stolz ist nun mal der Gegenpol zur Scham.
Nach einer abschließenden Runde gab es noch Zeit für ein Fazit. Wir sind nicht allein mit unserer Scham, vielen geht es ähnlich. Es ist ok sich zu schämen und man muss vielleicht nicht so schamfrei sein wie Pippi Langstrumpf, aber man muss auch keine Struwwelliese sein.
Feedback gab es auch für die Organisatorinnen. Einstimmig war man der Meinung, dass niemand eine Referentin vermisst oder gar gemerkt hat, dass dieses Seminar so kurz vorher umdisponiert wurde. Sheila, Uta, Ute, Simone und Miriam müssen sich absolut nicht schämen, denn sie haben diese Herausforderung mit Bravour gemeistert. Hut ab.
Den Abschluss bildete wie gewohnt die Sonnenblumenmeditation. Gefüttert mit neuen Erkenntnissen und gestärkt mit frischem Mut gingen wir wieder zurück in den Alltag.
Karin Meyer