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Tabus und Diskriminierung begleiten Suchtfamilien mit wachsender Tendenz, je länger die Krankheit nicht als solche erkannt und behandelt wird.
Als Angehörige besuche ich seit mehr als drei Jahren die Selbsthilfegruppe und bin selbst in Therapie. Warum ich mir nicht schon früher professionelle Hilfe suchte? Es war tabu – nichts durfte nach außen dringen von dem, was wirklich los war in unserer Familie. Einmal vertraute ich mich doch jemandem an und wurde als Verräterin beschimpft. Mit der Zeit distanzierten sich immer mehr Menschen, und ich zog mich auch selbst zurück – aus Scham. Zum Schluss hat man nur noch die Familie, die nicht helfen kann, da sie selbst Teil des Problems ist. Erst als ich am Ende meiner Kraft war, wurde mir klar, dass ich nur überleben kann, wenn ich das Schweigen breche. Ich setzte meinem Mann eine Frist und suchte mir eine Selbsthilfegruppe. Diesem Schritt verdanke ich mein neues Leben.
Mit der Zeit lernte ich, die Sucht als Krankheit anzuerkennen – aber auch, dass ich durch mein Verhalten (schweigen, vertuschen, lügen) das ganze Dilemma aufrechterhielt. Auch ich brauchte Hilfe, nicht nur mein suchtkranker Mann. Durch die Therapie wurde mir klar, was mich zu dem Menschen gemacht hat, der ich bin. Dieses Wissen hat mich selbstsicherer und stärker gemacht.
Heute kann ich offen über mein bisheriges Leben sprechen – ohne Scham. Keiner von unseren Freunden, Bekannten oder beruflichen Kontakten reagierte negativ auf meine Offenheit – im Gegenteil. Das größte Kompliment war: „Ich ziehe meinen Hut vor Dir!“ Es ist nicht leicht, den ersten Schritt zu tun. Offene Worte zu sprechen lernt man nicht von heute auf morgen. Aber es lohnt sich, denn es macht frei. Und dieses Gefühl ist einfach unbeschreiblich.
Julie de Marco