Nachtwächterwanderung in Bad Herrenalb
Nach einem ereignisreichen Tag mit vielen Übungen über Kommunikation, den Ausdruck von Gefühlen, über Herzenssprache etc. und dem gewohnt guten Buffet im Haus der Kirche liefen wir zum krönenden Abschluss des Tages zum Tourismusbüro, um mit Spannung die angekündigte Nachtwächterführung zu erleben.
Im weiten Umhang, mit Stab und Laterne begrüßte uns der Nachtwächter Horst Wahl mit einem ersten Gedicht. Er hatte für uns noch weitere zehn Laternen bereitgestellt, die wir zum Heimleuchten mit auf den Weg bekommen hatten. Von den Kelten bis zu den Baustilen der Gotik und der Renaissance führte uns der Nachtwächter durch die Baugeschichte. Dabei durfte die 1149 erfolgte Herrenalber Klostergründung der Zisterzienser nicht fehlen.
Die dezent beleuchtete Kulisse des geschichtsträchtigen Viertels sorgte schon für etwas Mystisches und Magisches. Insbesondere die senkrecht und trotzig auf dem Torbogen der alten Klostermauer stehende Kiefer, die dort vor ca. 200 Jahren durch Zufall Wurzeln geschlagen hat und Stürmen ebenso wie Trockenheit widersteht, bringt den Betrachter zum Staunen. Doch der Nachtwächter klärte uns auf, dass die Kiefer ihre Wurzeln durch die Fugen des Gemäuers bis ins Erdreich getrieben hat und sich so mit Wasser und Nährstoffen versorgen kann. Um die Zukunft des Baumes muss man sich keine Sorgen machen, denn Statiker und Baumsachverständige haben die untrennbare Einheit von romanischer Mauer und Baum auf ihre Standfestigkeit hin untersucht. Nur zur Sicherheit wurden Halteseilen zu benachbarten Laubbäumen gespannt.
Vor der Klosterscheuer konnten wir dem klassischen Nachtwächterlied „Hört ihr Leut´ und lasst euch sagen“ ebenso wie den Sagen, die sich um Berg und Mühle „Teufelsmühle“ ranken, lauschen. Ebenso bekamen wir die Sage, wie das Gaistal mit der Geis zu seinem Namen kam, zu hören. Die brennende Fackel an der Klosterscheuer, die dort schon Jahrhunderte lang das „Geöffnet sein“ einer Schänke signalisiert, brannte an diesem Tag leider nicht. Die zufällig am Seiteneingang stehende Servicekraft der Klosterscheuer wurde prompt vom Nachtwächter deshalb angesprochen: „isch denn das Gas ausganga???….“ Sie konnte dies aber nicht abschließend aufklären.
Hinter dem evangelischen Gemeindehaus führte uns der Nachtwächter den neu gestalteten Uferweg des Gaisbachs entlang. Es ging entlang der Klostermauer zurück zum Tourismusbüro.
Dort hatte der 78-jährige Nachtwächter noch einiges Geschichtliches sowie Gruseliges und Heiteres für uns parat. Natürlich durfte auch die Frage nach dem unterirdischen Gang zwischen den beiden Klöstern von Herrenalb und Frauenalb nicht fehlen. Man merkte, dass Horst Wahl seinen Job als Nachtwächter mit großer Leidenschaft ausübt. Aus der geplant 45-minutigen Führung wurde eine Stunde, weil der Nachtwächter mit seinen Geschichten und Anekdoten gar nicht zu Ende kam. Inzwischen wurde es aber kühler und einige unserer Teilnehmer fröstelten bereits. Das sah auch der Nachwächter, der uns zum Abschluss ein „Schnäpsle aus der Ortenau zum Aufwärmen“ geben wollte, das er eigens dafür mitgebracht hatte. Als wir dieses Angebot jedoch dankend ablehnten, verstand er „die Welt nicht mehr“. Sowas sei ihm noch nie passiert. „Eine solche Gruppe hatte ich in meiner achtjährigen Zeit als Nachtwächter noch nie. Seid ihr Abstinenzler oder habt ihr heute Mittag schon zu viel getrunken?“ So sein Kommentar. Als wir ihn aufklärten, dass auch ohne Alkohol die Führung ein tolles Erlebnis war, konnte auch er dies akzeptieren. Als Ausgleich bekamen alle Teilnehmer ein Bonbon, das wir dann gerne annahmen und uns mit vielen neuen Eindrücken und Erfahrungen auf den Heimweg zum Haus der Kirche machten.
Danke an das Vorbereitungsteam des Familienseminars für die tolle Idee, den Tag mit dieser erlebnisreichen und geschichtsträchtigen Nacht-wächterwanderung abzurunden.
Albert Ochs