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Es ist ruhig geworden. Der Gefängniswärter hat seine letzte Runde gedreht, die Tür hinter sich geschlossen - jetzt sind wir dran. Das Loch in der Wand ist schon recht groß, wir haben es in den letzten Tagen gut versteckt, aber jetzt, in dieser Nacht, müssen wir es schaffen! Jetzt oder nie! Wir setzen die Schaufeln an, doch da steht er plötzlich wieder im Vorraum und guckt misstrauisch, als hätte er etwas gehört… Wir sind zu sechst in dieser kleinen Zelle und der Wärter scheint allgegenwärtig. Doch uns gelingt der Ausbruch, bei dem ein sechsfacher Hustenanfall (nein, nix Coronavirus!) eine nicht ganz unwichtige Rolle spielt. Klingt verrückt?! Stimmt. Und doch hat es sich an einem Wochenende im Februar genau so hier im Freundeskreis zugetragen.
Wir hatten (schon zum zweiten Mal) Besuch von „Momo und Lelo“, die uns zu einem Clown-Workshop eingeladen hatten. Clowns und Sucht? Wie passt das denn zusammen? Verrückterweise haben die drei wichtigsten Clown-Regeln, die wir an diesem Wochenende von unseren beiden wunderbaren Gästen lernen, sehr wohl etwas mit unserer eigenen Lebenssituation als Süchtige oder Co-Abhängige zu tun: Zunächst geht es um "Aktion und Reaktion". Im Workshop hüpfen wir auf Kommando und kicken Bälle oder schießen wie ein Cowboy - im „echten Leben“ reicht auch oft schon ein kleiner Impuls, um eine bestimmte (lange gelernte und oft nicht so besonders gute) Reaktion hervorzurufen. Jetzt erfahren wir, wie gut man verschiedene Reaktionen üben und verinnerlichen kann. Dann geht es um „Ehrlichkeit": Ein Clown ist nur dann wirklich lustig, wenn er es ehrlich meint mit sich und seinem Publikum - einfach „lustig sein wollen“ macht niemanden zu einem guten Clown. Aber gerade diese Ehrlichkeit fällt uns nicht leicht: Was denken die anderen Teilnehmer von mir, wenn ich plötzlich versuche komisch zu sein? Und was denken meine Freunde, wenn ich ihnen einen kurzen Blick auf meine verletzte Seele gestatte? Wird man mich auslachen? Vielleicht sogar verachten? Ehrlichkeit und das nötige Vertrauen sind Dinge, die hier im Freundeskreis von Woche zu Woche weiter wachsen. Für neue Teilnehmer ist das oft die größte Hürde. Im Workshop mit den anderen Clowns klappt das nach wenigen Minuten schon ganz gut: Wir sind verrückt und dürfen es sein - und wir genießen es sogar! Und dann geht es an diesem Wochenende noch um „Rhythmus": Wir trommeln und rocken und singen - jeder für sich und doch alle zusammen - und so verrückt es auch klingt - zusammen ergibt es ein großes Ganzes, und irgendwie auch Stabilität. Und Sicherheit stellt sich ein, je länger wir unseren eigenen neuen Rhythmus üben.
„Ich glaube fest daran, dass Clowns so etwas wie Heilung bewirken können“, sagt David Starke („Lelo“), der dies in seinem Leben als Clown schon oft erlebt hat. David kommt ursprünglich aus Südamerika und hat dort auch mit Straßenkindern gearbeitet. Seit gut vier Jahren lebt er in Deutschland, wo er auch seine Partnerin Mirjam Mayr kennenlernte, mit der er heute zusammenlebt. Es verändert sich etwas in dir, wenn du deinen eigenen Clown, deinen Helden, dein „inneres Kind“ entdeckst und mit ihm spielst, sagt David. Und auch Mirjam hat schon erfahren, zu was ihr eigener Clown („Momo“) fähig ist: „Als David den Clown in mir entdeckt hat, bin ich erst mal aus allen Wolken gefallen: Ich und Clownin?? Nie!! Never!“ Aber seit einem guten Jahr ist die ausgebildete Schauspielerin, die auch als Dozentin für Gesang, Schauspiel und Improvisation arbeitet, nun mit David als „Momo und Lelo“ erfolgreich unterwegs. Gemeinsam geben sie ihre Liebe zu dieser Kunst an Kinder, Jugendliche und Erwachsene weiter. Und zum zweiten Mal nun auch schon an unseren Freundeskreis! Wir bedanken uns für zwei unglaublich lustige Tage. Für die verrückten Erfahrungen, die unserem „echten Leben" viel näher sind, als wir vielleicht gedacht haben. Und für‘s (über uns hinaus-)Wachsen. Es war so schön, dass ihr da wart! Wir freuen uns aufs nächste Mal!
Kirsten